Daniela Maria Span:
"Wie immer gibt es kein eindeutiges Gut und Böse, TäterInnen und Opfer, kein schwarz oder weiss sondern zahllose Graustufen.
Die Abbilder der Ikonen Barbie, Ken, Batman, Jesus, der heiligen Madonna mit und ohne Kind etc. ... fungieren als die Vehikel einer kritischen künstlerischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen, Genderklischees und einer extrem heuchlerischen Sexualmoral, die herabwürdigende Darstellungen von Frauen in Werbung und Pornografie hervorbringen und zu Ausbeutung, Prostitution, Menschenhandel, ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit etc. führen.
Frauen werden als unterlegen, willfährig, schwach, opferbereit oder gleich als Opfer schlechthin dargestellt, Männer vice versa als gierige, skrupellose Schädlinge und ewige Täter. Auf der anderen Seite gibt es die Klischees von Frauen als multitaskingfähige Hybride aus beruflicher Powerfrau, endlos liebesfähigem Erotikwunder, hingebungsvoller Mutter und Hausfrau etc., und Männern als dem allzeit bereitem Helden und Beschützer, furchtlos und niemals schwach.
Markt und Medien setzen uns einer Überflutung mit Klischeevorstellungen aus, die uns auf vielen Ebenen überfordern. Die Reduktion von Frauen und Männern auf derart eingeschränkte Lebensentwürfe zerstört Authentizität und Kreativität und schränkt das Potential für gelungene Lebensentwürfe aller Menschen ein. Wer sich auf das Spiel der Klischees einlässt, lebt gefährlich."
Rede von Sabine Gatt bei der Eröffnung der Ausstellung
Liebe Gäste, es freut mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Es freut mich auch, dass Daniela Span sich gewünscht hat, dass ich Ihre Ausstellung eröffne und ich möchte mich an dieser Stelle bei ihr herzlich bedanken. Danielas Werke berühren mich sehr und dies auf ganz unterschiedlichste Weise.
Danielas Bilder lösen in mir eine Reflexion meines eigenen Lebens aus. Die Bilder erwecken in mir einerseits Erinnerungen an meine Kindheit, eine Zeit, in der ich von meiner Zukunft träumte, in der sich meine Geschlechtsidentität ausbildete. Daniela erweckt das Mädchen in mir, das ich einst war, ein Mädchen, das von Romantik träumte, das schön sein wollte wie die wundervolle Barbie, das deren Glück erfahren wollte, das von einer sorgenlosen Zukunft mit ihrem Ken träumte. Barbie und Ken waren meine Schablone des Glücks. Mit Barbie lernte ich auch Erotik kennen und begann diese spielerisch zu erfahren. Doch es sind auch die Erinnerungen an den Konsumüberfluss, in dem ich lebte, an das nahezu Ersticken im Spielzeug, an das Ruhiggestelltwerden mit Geschenken, an Einsamkeit.
Die Gewalt, die Barbie in Danielas Werken widerfährt, löst in mir wesentlich jüngere Erinnerungen aus. Es sind die Momente, die mir in den Sinn kommen, die mich dazu zwangen meine Träume aus der Kindheit loszulassen. Momente, die geprägt waren von Herausforderungen, Widersprüchen und (Existenz-‐) Ängsten. Prozesse der Ent_täuschung werden in mir wach, Prozesse, die mir den Glauben an meine Kens und Batmens nahmen, Prozesse, die mir die Eindimensionalität des Barbieglücks bewusst machten. Daniela konstrastiert den Traum mit der Wirklichkeit und verdichtet diesen Kontrast in ihren Werken. Sie zeigt auf, dass die Wirklichkeit komplex ist und nicht nur von Glück und Happy Ends geprägt ist.
Diese Wirklichkeit ist auch durchzogen von Gewalt. Diese Gewalt kann körperlich sein. Sie kann sich in sexuellen Übergriffen zeigen oder andere Formen körperlicher Gewalt annehmen. Diese Gewalt kann aber auch psychischer Natur sein und subtilere Formen des Übergriffs annehmen. Es gibt Momente, da würde man sich wünschen, den eigenen Körper, die eigenen Schmerzen hinter sich zu lassen, einfach abzustreifen und vergessen zu können, tot und leer liegen zu lassen, die Barbie, die Maske, die der Gesellschaft entspricht und ihr unentwegt zulächelt.
Doch die Gewaltformen, die unseren Gesellschaften inhärent sind, sind auch struktureller Natur. Sie sind so vielschichtig wie Danielas Werk selbst. Diese gewaltvollen Strukturen sind Machtverhältnissen, Machtverhältnisse, die auf Ungleichheiten beruhen, die hierarchisieren und ausgrenzen. Diese Verhältnisse ordnen zu, fein säuberlich. Sie kategorisieren in Gegensatzpaaren, sie bedienen sich einer auf Dichotomie beruhenden Matrix. Daniela zeigt auf, wie der Diskurs schubladisiert. Wie es eindeutige Zuordnungen für Weiblichkeit und Männlichkeit gibt, wie wir alle erzogen und sozialisiert werden, um diesen Ansprüchen zu entsprechen. Denn was bedeuten die Kategorien weiblich und männlich? Wie frei sind wir darin, diese Kategorien mit Werten zu füllen oder mit Lebensweisen auszugestalten?
Wir lernen einer Norm zu entsprechen. Die HeldInnen des Konsumzeitalters und die HeldInnen des Christentums, die Daniela wählt, sind nur Facetten eines dichten Netzes, das uns lehrt, wer wir zu sein und wie wir zu leben haben. Dieses Netz ist durchzogen von Machtverhältnissen, die Abhängigkeiten stützen, die gewaltvoll wirken. Es sind die Antworten, die wir lernen auf Fragen, die wir uns stellen, Fragen wie: „Wer bin ich?“, „Wie habe ich mich als Frau oder als Mann zu verhalten?“, „Was sind meine entsprechenden Aufgaben?“, „Wie ist eine „gute Frau“?“, „Wie ist eine „gute Mutter“?“, „Wie ist ein „guter Mann?“ oder „Wie ist ein „guter Vater“?“. Es sind Vorstellungen von Moral und Lebensaufgaben, die uns unentwegt eingeflüstert werden, Vorstellungen, die uns einen Platz zuweisen, Vorstellungen, die uns lehren heterosexuell zu leben und Homosexualität und Bisexualität sowie Inter- und Transsexualität als Abweichung von der Norm setzen.
Diese Vorstellungen stützen Machtverhältnisse, die unsere Gesellschaften durchdringen. Gewaltverhältnisse, die struktureller Natur sind, eine Struktur, die einen Anpassungszwang auslöst, Anpassungsleistungen, die zu innerer Zerrissenheit und moralischen Konflikten führen können, Anpassungsleistungen, die die herrschende Matrix reproduzieren, eine Matrix, die die Mehrfachbelastungen von Frauen verschleiert, die Einkommenschere legitimiert und das traditionelle bürgerliche Familienmodell propagiert. Diese Vorstellungen bilden den Maßstab, anhand dessen wir gemessen werden und anhand dessen wir uns selbst und andere messen. Sie dienen als Richtschnur und zeigen uns auf, was wir zu erfüllen haben. Diese Vorstellungen entspringen einer westlichen industrialisierten Welt, die das Weißsein als Norm setzt und klare Zuschreibungen für Frauen und Männer setzt. Sie grenzen diejenigen, die nicht entsprechen aus, bewerten diese und stigmatisieren sie als „abnorm“. Wie einst die Kirche im Namen Gottes missionierend Wertvorstellungen global expandierte, so geschieht dies gegenwärtig im Namen des Kapitals.
Ich möchte Daniela zu ihren wundervollen Werken gratulieren und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
Sabine Gatt
Sabine Gatt ist Politologin und Germanistin und arbeitet derzeit an ihrer politikwissenschaftlichen Dissertation im Bereich feministische Migrationsforschung. Als alleinerziehende Mutter hat sie sich kritisch mit Rollenbildern und der Sozialisation Heranwachsender in der westlichen Konsumgesellschaft auseinandergesetzt.
Der Multiinstrumentalist Christoph Fügenschuh beschäftigt sich unter dem Pseudonym Fritz Teufel mit der humorvoll provokanten Vertonung gesellschaftlicher Realitäten. Als musikalischen Gegenpol zu Daniela Maria Spans Ausstellungsreihe `VOM-KITSCH-ZUM-TRASH´ werden Barbie Werbespots und Superheldenzitate unter Zuhilfenahme von Samples, Granularsynthese und Slicing in neuen Zusammenhang gesetzt.
Bildergalerie zur Ausstellung
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