daniela span - timeline


Oktober 2013 "OSMOSIS_identity quest"
UNO (= University of New Orleans) St. Claude Gallery, New Orleans (USA)
(gemeinsam mit Charlotte Simon www.charlottesimon.at)

Identity quest
(Text: Sabine Gatt)

Danielas Bilder lösen in mir eine Reflexion meines eigenen Lebens aus. Die Bilder erwecken in mir einerseits Erinnerungen an meine Kindheit, eine Zeit, in der ich von meiner Zukunft träumte, in der sich meine Geschlechtsidentität ausbildete. Daniela erweckt das Mädchen in mir, das ich einst war, ein Mädchen, das von Romantik träumte, das schön sein wollte wie die wundervolle Barbie, das deren Glück erfahren wollte, das von einer sorgenlosen Zukunft mit ihrem Ken träumte. Barbie und Ken waren meine Schablone des Glücks. Mit Barbie lernte ich auch Erotik kennen und begann diese spielerisch zu erfahren. Doch es sind auch die Erinnerungen an den Konsumüberfluss, in dem ich lebte, an das nahezu Ersticken im Spielzeug, an das Ruhiggestelltwerden mit Geschenken, an Einsamkeit.

Die Gewalt, die Barbie in Danielas Werken widerfährt, löst in mir wesentlich jüngere Erinnerungen aus. Es sind die Momente, die mir in den Sinn kommen, die mich dazu zwangen meine Träume aus der Kindheit loszulassen. Momente, die geprägt waren von Herausforderungen, Widersprüchen und (Existenz-) Ängsten. Prozesse der Ent_täuschung werden in mir wach, Prozesse, die mir den Glauben an meine Kens und Batmens nahmen, Prozesse, die mir die Eindimensionalität des Barbieglücks bewusst machten. Daniela konstrastiert den Traum mit der Wirklichkeit und verdichtet diesen Kontrast in ihren Werken. Sie zeigt auf, dass die Wirklichkeit komplex ist und nicht nur von Glück und Happy Ends geprägt ist.

Diese Wirklichkeit ist auch durchzogen von Gewalt. Diese Gewalt kann körperlich sein. Sie kann sich in sexuellen Übergriffen zeigen oder andere Formen körperlicher Gewalt annehmen. Diese Gewalt kann aber auch psychischer Natur sein und subtilere Formen des Übergriffs annehmen. Es gibt Momente, da würde man sich wünschen, den eigenen Körper, die eigenen Schmerzen hinter sich zu lassen, einfach abzustreifen und vergessen zu können, tot und leer liegen zu lassen, die Barbie, die Maske, die der Gesellschaft entspricht und ihr unentwegt zulächelt.

Doch die Gewaltformen, die unseren Gesellschaften inhärent sind, sind auch struktureller Natur. Sie sind so vielschichtig wie Danielas Werk selbst. Diese gewaltvollen Strukturen sind Machtverhältnissen, Machtverhältnisse, die auf Ungleichheiten beruhen, die hierarchisieren und ausgrenzen. Diese Verhältnisse ordnen zu, fein säuberlich. Sie kategorisieren in Gegensatzpaaren, sie bedienen sich einer auf Dichotomie beruhenden Matrix. Daniela zeigt auf, wie der Diskurs schubladisiert. Wie es eindeutige Zuordnungen für Weiblichkeit und Männlichkeit gibt, wie wir alle erzogen und sozialisiert werden, um diesen Ansprüchen zu entsprechen. Denn was bedeuten die Kategorien weiblich und männlich? Wie frei sind wir darin, diese Kategorien mit Werten zu füllen oder mit Lebensweisen auszugestalten?

Wir lernen einer Norm zu entsprechen. Die HeldInnen des Konsumzeitalters und die HeldInnen des Christentums, die Daniela wählt, sind nur Facetten eines dichten Netzes, das uns lehrt, wer wir zu sein und wie wir zu leben haben. Dieses Netz ist durchzogen von Machtverhältnissen, die Abhängigkeiten stützen, die gewaltvoll wirken. Es sind die Antworten, die wir lernen auf Fragen, die wir uns stellen, Fragen wie: „Wer bin ich?“, „Wie habe ich mich als Frau oder als Mann zu verhalten?“, „Was sind meine entsprechenden Aufgaben?“, „Wie ist eine „gute Frau“?“, „Wie ist eine „gute Mutter“?“, „Wie ist ein „guter Mann?“ oder „Wie ist ein „guter Vater“?“. Es sind Vorstellungen von Moral und Lebensaufgaben, die uns unentwegt eingeflüstert werden, Vorstellungen, die uns einen Platz zuweisen, Vorstellungen, die uns lehren heterosexuell zu leben und Homosexualität und Bisexualität sowie Inter- und Transsexualität als Abweichung von der Norm setzen.

Diese Vorstellungen stützen Machtverhältnisse, die unsere Gesellschaften durchdringen. Gewaltverhältnisse, die struktureller Natur sind, eine Struktur, die einen Anpassungszwang auslöst, Anpassungsleistungen, die zu innerer Zerrissenheit und moralischen Konflikten führen können, Anpassungsleistungen, die die herrschende Matrix reproduzieren, eine Matrix, die die Mehrfachbelastungen von Frauen verschleiert, die Einkommenschere legitimiert und das traditionelle bürgerliche Familienmodell propagiert. Diese Vorstellungen bilden den Maßstab, anhand dessen wir gemessen werden und anhand dessen wir uns selbst und andere messen. Sie dienen als Richtschnur und zeigen uns auf, was wir zu erfüllen haben. Diese Vorstellungen entspringen einer westlichen industrialisierten Welt, die das Weißsein als Norm setzt und klare Zuschreibungen für Frauen und Männer setzt. Sie grenzen diejenigen, die nicht entsprechen aus, bewerten diese und stigmatisieren sie als „abnorm“. Wie einst die Kirche im Namen Gottes missionierend Wertvorstellungen global expandierte, so geschieht dies gegenwärtig im Namen des Kapitals.

Sabine Gatt ist Politologin und Germanistin und arbeitet derzeit an ihrer politikwissenschaftlichen Dissertation im Bereich feministische Migrationsforschung. Als alleinerziehende Mutter hat sie sich kritisch mit Rollenbildern und der Sozialisation Heranwachsender in der westlichen Konsumgesellschaft auseinandergesetzt.




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Identity quest
(Text: Sabine Gatt)

Daniela's paintings evoke in me a reflection on my own life. The paintings remind me of my childhood, a time, when I dreamed of my future and started to identify with my sex. Daniela awakens the girl within me, the girl I once was, the girl that was dreaming of romance and of a carefree future with Ken. Barbie and Ken were my role-models for a happy future. I got to know eroticism via Barbie and began to explore it in a playful way. There is, however, another pool of memories coming back to me: An abundance of consumer's goods that surrounded me, suffocating amounts of plastic, presents that should keep me quiet, loneliness.

The violence Barbie is subject to in Daniela's works evokes much more recent memories in me. They are memories of moments that forced me to let go of my childhood dreams. Those moments were full of challenges, contradictions and (existential) fears. Processes of disappointment and dis_covery are re-awakened, processes that took away from me my belief in my Kens and Batmen, processes showing me the one-dimensionality of Barbie's happiness. Daniela confronts dream and reality, focusing on the contrasts between the two in her paintings. She shows that reality is complex and that there is more to it than happiness and happy endings.

Reality also includes violence. This violence can be physical. It can manifest itself in sexual assault or other forms of bodily violence. This violence can also be of a psychic nature and show more subtle forms of violation. There are moments when you wish that you were able to leave behind your own body, your own pain and agony, to strip them off, to forget them, leave them behind, dead and empty – barbie doll, the mask that always meets the expectations of the public with a smile on her face.

But the types of violence inherent to our society are of a structural nature. They – just like Daniela's art – have many layers. These are the structures of power which are based on inequalities. They create hierarchies and social exclusion. These structures bind the individual to an exact place in society. They use contradicting pairs and a matrix based on dichotomies to create categories. Daniela shows the way in which discourse produces stereotypes; she shows the strict separation of masculinity and femininity; and she shows how all of us are educated and socialized to meet the expectations created by this system. For, what do the categories male and female mean? What grade of freedom do we possess in filling them with our own values and correlating them with different ways of life.

We learn to meet a norm. The heroines and heroes of the “age of consumption“ and heroines and heroes of Christianity chosen by Daniela are facets of a tight net that teaches us who we have to be and the way we have to live. This net is dominated by a power system that supports dependencies that seem to be ruled by violence. They are the answers we are taught to give to questions that we ask ourselves: Who am I? How am I supposed to behave as a “woman” or as a “man”? What are the duties assigned to me in that context? What is a “good woman” like? What is a “good mother” like? What is a “good man” like? What is a “good father” like? Those are the ideas of moral and duties in life that are constantly whispered into our ears. They are ideas that assign to us a fixed place in society, ideas that teach us that heterosexuality is the only way to live by and that homosexuality, bisexuality, inter-sexuality and trans-sexuality deviate from the norm.

These ideas support a system of power that dominates our societies. They support violent relationships which are of a structural nature. This structure forces us to adapt to society, it causes efforts to adapt to norms that cause disrupted selves and moral conflicts, efforts to adapt to society that reproduce the dominant matrix, a matrix that conceals the multiple stress on women, legitimates the divergence of income levels and propagates the traditional middle-class family model. These ideas fix the norm to which we are compared and to which we compare ourselves and others. They form a guideline showing us what we have to be like. These ideas have their origins in a Western industrialized world, the norm inhabitant of which is white. This world attributes definite sexual identities creating a binary system which excludes those who do not meet the standards, brand them, price them and stigmatize them as „abnormal“. Just like the catholic church used to globally expand their moral concepts by evangelizing in the name of God, the same is now happening in the name of financial capital....”

Sabine Gatt is a political scientist and a specialist in German studies. She is writing her dissertation in political science on feminist migration studies. As a single mother, she has critically studied the role-models and socialization of adolescents in Western consumption-based societies.

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