rose

"Ein Erzählgenre, eine wissenschaftliche Disziplin, besteht selbstverständlich nicht aus einer kohärenten Erzählung, sondern aus auf verschiedene Weise miteinander verbundenen Erzählungen, die einander widersprechen, miteinander konkurrieren oder sich ergänzen."
C. Hammer, I. Stieß zu Donna Haraway


eine Seite
Es ist schon verwunderlich, wie verstört Leute auf die Frage nach der Kunst von Daniela Span reagieren, wenn diese lapidar meint, sie sei eine Kitsch-Künstlerin. Punkt. Ende. Woran das nun genau liegen mag, sei dahingestellt. Es bedarf jedoch keiner allzu großen Phantasie, um sich vorzustellen, daß die Produktion von Kitsch einfach nicht mit dem gängigen Ideal eines davon völlig abgehobenen Kunstschaffens in Einklang gebracht werden kann. Aber schon der Ausdruck 'Produktion' ist falsch verwendet, weil dieser eher auf eine bloße Massenangabe verweist, also bestimmte Quantitäten hervorhebt und somit einem elitären Schaffensgedanken von (Kunst)Originalen in Form eines individuellen Geniestreichs zuwiderläuft.

Bei der Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Werk von Daniela Span sind noch zwei weitere Aspekte besonders hervorzuheben: zum einen der explizite Verweis auf ihren Status als Künstlerin, bei dem eine strikte Abkoppelung von künstlerischer Arbeit und allgemeiner Lebensgestaltung aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen undenkbar geworden ist. Das heißt, jenes vormals utopistisch verwendete Schlagwort der Verbindung von Kunst und Leben, wird notwendigerweise zur alltäglichen Realität relativiert. Den anderen Punkt betrifft die Produktionsweise von Kunst. Kunst einfach um der Kunst willen herzustellen, um diese dann wieder in irgendeinem Depot verschwinden zu lassen, dagegen hat sich Daniela Span mehrfach dezidiert ausgesprochen. Ihr bestehendes Werk kann daher ­ zumindestens zu einem gewissen Teil ­ als eine Art Ansammlung von 'Nachfragen' verstanden werden, nach dem sich ihr bereitgestelltes künstlerisches Angebot gerichtet hat.

Doch mit einer derartigen Aussage bin ich selbst schon wieder in die Falle traditioneller Kunstbegrifflichkeit getappt, die Kunst allein nach der Fertigstellung materieller Objekte bewertet. Daher noch ein weiterer Versuch einer möglichen These zur Kunst von Daniela Span: sobald ein/e Künstler/in sich entscheidet, seine/ihre Arbeit nicht mehr strengstens abgekoppelt von seinem/ihrem jeweiligen Agieren in den verschiedensten gesellschaftlichen Kontexten zu sehen, werden Versuche von begrifflichen Parzellungen des Werks in Nicht-Kunst und Kunst hinfällig. Punkt. Ende.

Dem würde folglich eine künstlerische Denkweise entsprechen, die einem Agieren mit sozialen wie künstlerischen "Symbolen" gleichkommt, "die eine Weltanschauung ausdrücken."1 Das klingt aus dem Zusammenhang gerissen ziemlich pauschalisierend und ist daher allein als rein rhetorisches Mittel zu sehen, dessen Ziel vornehmlich die Absteckung begrifflich herausgehobener Eckpunkte ist. Daher noch einmal zurück zur 'weltanschaulichen' Symbolik, soziologischer wie künstlerischer Art: dort diejenige des Lebens, wie Hammer oder Kochlöffel, hier diejenige der Kunst wie Farbpinsel oder Palette. Oder etwas weniger plakativ: auf der einen Seite eine bestimmte Lebensanschauung, auf der anderen ein materieller "Auswurf" an Kunst [Weiteres dazu bei den "Wurftheorien" des deutschen Philosophen Martin Heidegger (1889-1976)]. Werden beide Pole miteinander verglichen, überwiegt allerdings der Eindruck, daß diese kaum in engerer Beziehung stehen würden. Da scheinen jenes engagierte Denken auf der einen und das Arrangement von Kitschgebilden wie etwa solche mit künstlichen Rosen auf der anderen Seite schon eher einen nahezu unüberbrückbaren Gegensatz zu verkörpern.

Aber zumindest läßt sich daraus ein dialektisches Diskursmodell anlegen: als These wäre jenes kritische Denken und der unbedingte Wille vorstellbar, sich im eigenen wie im gesellschaftlichen Kontext ständig neu zu definieren. Die dazugehörige Antithese wäre die künstlerische Realisierung von Produkten, die generell für Unterhaltung, Schönheit und andere Wellness-Faktoren stehen. Oder etwas zynisch ausgedrückt: "Wenn die fleißigen Leut von ihrer Arbeit heimkommen, dann wollen sie keine Probleme mehr hören, die haben sie eh schon genug, sondern sie wollen Fröhlichkeit, Entspannung, also a richtige Gaudi",2 wie Musikanten-Stadl-Macher Karl Moik nicht müde wird zu betonen.

Die Synthese würde ein ziemlich weit auseinanderklaffendes 'Dazwischen', eine Art begriffliches Vakuum bilden, das jede/r Betrachter/in auf seine/ihre Weise ausfüllen kann. Dieses 'Dazwischen' könnte in bezug auf die spezifische 'Kunst-Produktions-Anschauung' von Daniela Span auch mit einer "Herstellung von Wissen als ein unentrinnbar politischer Prozeß" verglichen werden, "bei dem das, was von der Welt gewußt werden kann, durch die Machtverhältnisse, in die die AkteurInnen eingebunden sind, sowohl beschränkt als auch ermöglicht wird."3 Dabei kann nie genug betont werden, daß die daraus resultierenden Betrachtungen für die Konstruktion sich ständig summierender wie differenzierender Blickfelder,4 für die Bildung eines im wörtlichen Sinne zu gebrauchendes "Netzwerk" an Standpunkten sorgen, aus dem sich die spezifische begriffliche Formation eines künstlerischen Werks wie dasjenige von Daniela Span entwickelt.


ein Dazwischen
"Unsere Gesellschaft bewertet intellektuelle Leistungen höher als das gefühlsmäßige Erfassen von Zusammenhängen. Daher werden emotionale Reaktionen als Unberechenbarkeiten angesehen und haben somit etwas äußerst Unseriöses an sich. Berechenbarkeit ist ein hoch bewertetes Faktum, denn Kontrollierbarkeit verleiht die Illusion von Sicherheit."5 Einem derartigen gesellschaftlichen Psychogramm zufolge, ist die Schaffung von "Ersatzemotionen", so Daniela Span, eine logische Folge. Dazu gehören beispielsweise eine allgemein zunehmende Sentimentalität bei der Beurteilung unserer Wirklichkeit sowie eine überhöhte Empfänglichkeit für Kitsch jeder Art.

"Für eine feministische Künstlerin bedeutet das unter anderem, ihre persönliche Auseinandersetzung mit der geschlechtsspezifischen Sozialisation, die durch massive Vermittlung von Weiblichkeits- und Männlichkeitsklischees erfolgt, in ihrer Arbeit zu thematisieren. Eine Möglichkeit dazu stellt die Brechung verinnerlichter, verkitschter Klischeevorstellungen durch das plakative Vorführen derselben dar ­ etwa das gängige Barbie-Puppen-Schönheitsideal, die Sehnsucht nach dem Märchenprinzen, die Vorstellung vom reinen Mutterglück..."6

Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema der Rosensymbolik bietet bei der medialen Umsetzung der oben angesprochenen Problematik ein wichtiges Gestaltungsmittel: "die Rosenknospe stellt ein Symbol für das junge Mädchen dar: mit allen Verheißungen des erwachenden, noch ungerichteten, mit unbestimmten Sehnsüchten erfüllten weiblichen Bewußtseins ­ aber auch der Ahnung von den Möglichkeiten weiblicher Potenz ­ "the lady is a rose".7

"Die voll erblühte Rose hingegen steht einerseits als Symbol für die Sehnsucht nach ewigem Leben. ...Andererseits, in der Vorahnung des Dahinwelkens, das dem 'in-voller-Blüte-und-Pracht-stehen' immanent ist, steht die Rose auch als Symbol für Vergehen und Tod."8

"Die nie welkende Plastik-Rose bildet also den perfekten Spiegel für den uns aufgezwungenen Jugendlichkeitswahn (= pervertierte Sehnsucht nach ewigem Leben = Angst vor dem Sterben) einer patriarchalischen, materialistisch-kapitalistischen Gier-Sucht-Konsumgesellschaft, welche dem Schönheits-Jugendlichkeits-Erfolgskult mit allen zur Verfügung stehenden (wissenschaftlichen) Mitteln huldigt, um authentische = kaum zu kontrollierende Lebens- und Sterbeweisen (incl. der sehr wichtigen spirituellen Komponente) zu erschweren/verhindern."9

"Frauen sind (fast möchte ich sagen: natürlich!?) von diesen gesellschaftlichen Zwängen in besonderem Ausmaß betroffen, da sie die Projektionsfläche für sämtliche Männerängste darstellen und daher mit sämtlichen Schönheits-Jugendlichkeits-Sexual-Klischees (z. B. Barbie-Puppen-Schönheitsideal) identifiziert werden: Männer wollen ihre Angst vor Potenzverlust und Tod mittels Kontrolle über den weiblichen Körper in Schach halten ­ die aus der Polarität von Sexualität und Tod entstehenden existenziellen Konflikte werden so auf einer vordergründig weniger bedrohlichen, oberflächlich-materialistischen Ebene ausgetragen."10


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Der Kunsthistoriker Beat Wyss versucht in seinem Buch "Die Welt als T-Shirt" eine Geschichte der Medien zu skizzieren. Darin kommt er unter anderem zu dem Schluß, daß "die Geschichte der Medien eine Geschichte von Bildern ist, die gemacht werden zum Zweck, einer gewünschten Wirklichkeit nachzuhelfen."11 Im Verlauf dessen geschichtlicher Entwicklung hat sich das Medium allerdings selbst zum zentralen Element bei der Produktion von Wirklichkeiten gemacht. Die daraus resultierende, von Beat Wyss beschriebene Umkehr des Verhältnisses von Kunst und Medium,12 die Fragen wie nach der AutorInnenschaft oder der Originalität und Authentizität von Bildwirklichkeiten in den Hintergrund rücken lassen, bringt aber genauso die meist peinlichst genau hervorgehobenen Unterschiede zwischen Hoch- und Massenkultur langsam zum Verschwinden und rückt künstlerische Positionen, die dem gesamten Umfeld eines letztlich nur mehr künstlich aufrecht zu erhaltenden Kults um das Original keine zentrale Bedeutung mehr beimessen, beinahe zwangsläufig in den Blickpunkt des Interesses.

Die Arbeiten von Daniela Span betreffend, könnte einleitend das Motto verwendet werden: "Kunst ist Schein ­ darin sind sich Ölbild und Bildschirm gleich."13 Dem gegenüber steht jedoch eine Gesellschaftsentwicklung, für die zunehmend dasselbe gilt. So gesehen beginnen sich Kunst und Leben wirklich anzugleichen, sind aus diesem Blickwinkel irgendwann kaum voneinander zu trennen. Wenn sich Kunst und Gesellschaft in wirklichkeitskonstitutiver Hinsicht aber immer ähnlicher werden, weil die Produktion von Scheinwelten für die Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit drastisch zunimmt, dann drängt sich automatisch die Frage nach unserem persönlichen Umgang mit dieser Situation auf. Wie verkraften wir diese momentan stressige Übergangsphase von einer analogen Lebenswelt zu einer digitalen Idealwelt? Denn digital modellierte Schönheitsideale diverser Art werden uns solange enttäuschen, bis die Genetik diese 'wirklichkeitsgetreu' nachbilden kann. Abgesehen von der Frage, ob eine solche Entwicklung in Richtung einer Welt immerwährender und monoton anmutender Schönheit überhaupt erstrebenswert ist, sollte vor allem die Debatte um den Zustand eines menschlichen Selbstbewußtseins in den Vordergrund gerückt werden, das sich ständigen Enttäuschungen und Frustationen ob der Unerreichbarkeit der von außen vorgegebenen, idealistischen Zielen ausgesetzt fühlt. Das bedeutet aber auch: irgendwann ist der Punkt verpaßt, wo jenes prinzipiell erzkonservative Verkaufen von Schönheitsidealen als das Wahre und Gute schlechthin, als die implizierte Rückkehrmöglichkeit in paradiesische Zustände überhaupt noch genauer reflektiert und zur Diskussion gestellt werden kann. Nichtsdestotrotz scheinen wir uns mehr denn je dem bei Beat Wyss angeführten Beispiel der Erzählung eines gewissen Tommaso Campanellas 14 anzupassen, der von 1599-1626 im Kerker sitzend, eine Theorie geschlechtlicher Begattung zur Züchtung von Idealmenschen entwickelt hat. Damit diese auch in die Realität umgesetzt werden könne, sollte beim Geschlechtsverkehr besonders auf die Aufstellung des Götterpaares Venus und Apoll geachtet werden. Der Mann ergötzt sich am Anblick der weiblichen Götterstatue und kommt dadurch erst so richtig auf Touren und die Frau prägt sich die Idealmaße des männlichen Gottes ein, damit der Nachwuchs diesem möglichst 'ebenbildig' werde. Auch hier kreiert die Einbildung, die Illusion eine erhoffte zukünftige Realität, während die eigentliche Realität so gut wie möglich negiert bzw. verdrängt wird.15

Der Mensch als Kunstwesen, die Welt als Scheinwelt ­ Daniela Span wird dies wahrscheinlich verstärkt als Resultat eines männerdominierten Idealimperialismus hervorgehoben haben wissen wollen,16 also die dauernde Konfrontation mit einem Anderen, das prinzipiell alles sein kann, nur eben nicht das eigene Ich und die dazu passende jeweilige Umwelt, könnte unter anderem auch ein Diskussionseinstieg sein, in jenes oben beschriebene Dazwischen. Und dann wäre jene auf den ersten Blick konstatierte Kluft zwischen 'Leben und Werk' auf einmal gar nicht mehr so groß. Aber wie so oft kommt darüber wahrscheinlich erst gar keine Diskussion auf. Denn das Ganze ist ja nur "Kitsch-Kunst". Punkt. Ende. Und daher werden die Kunstwerke Daniela Spans wohl eher Einzug halten in unsere Wohnzimmer, um uns bildlich zu ergötzen, wenn wir 'fleißig und ehrlich'17 unsere Arbeit verrichtet haben und wir danach müde nach Hause kommen.


Ulrich Mellitzer

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